Gestern war wieder so ein Tag. Ich hatte eine wunderbare Patientin zur Behandlung. Und irgendwie kam der Satz ans Tageslicht: Ich habe zu wenig Selbstwertgefühl. Das hat jemand anders kaputt gemacht.
Und ich fragte sie: Bist du der Meinung, wertvoll zu sein? Nur deshalb einen Wert zu haben, weil du lebst und da bist? Oder ist an deinen Wert eine Leistung gekoppelt? Was musst du tun, um wertvoll zu sein?
Ganz rational getrachtet setzt sich das Wort aus zwei Teilen zusammen: Selbst und Wert. Selbstwert ist also der Wert, den ich mir selbst gebe. Oder eben nicht gebe.
Frage dich einmal: Bin ich mir wertvoll genug, auf mich zu achten und anderen eine Grenze zu setzen? Bin ich es mir wert, eine Pause zu machen, auch wenn ich vielleicht noch nicht alles fertig habe, wie es eigentlich sein sollte? Oder bin ich getrieben von meinem Pflichtgefühl, von Gedanken und der Meinung anderer, wie ich bis wann was fertig zu haben habe.
Auch für mich war der Weg in einen positiven Selbstwert ein langer Weg. Bis 2011 war für mich immer Leistung und Selbstwert eine große Kopplung gewesen. Ich komme auch aus einer sehr leistungsbezogenen Familie. Bei uns war immer etwas zu tun und einfach so gammeln habe ich wenig kennengelernt. Ich war auch eher ein Human Doing als ein Human beeing. Ich bezog meinen Wert aus der Arbeit und meiner Weiterbildung. 2011 habe ich dann mehrere Augenoperationen gehabt, in Folge dessen meine Belastbarkeit sehr gering wurde. Ich konnte nicht arbeiten, weil ich unter massiven Gleichgewichtsstörungen litt und alles fünffach sah. Dazu war ich durch die drei Narkosen in 14 Tagen ziemlich neben der Spur und einfach nur müde. Ich habe zuhause auf der Couch gelegen und sehr viel geschlafen. Ich war über 6 Wochen zuhause und nicht in der Lage, etwas zu leisten. Es war für mich die Hölle. Alle um mich herum gingen ihrem Leben nach, ständig fragte mich jemand: Brauchst du was? Sollen wir dir was vom einkaufen mitbringen? Ich wollte nicht, dass sie mir etwas mitbrachten, ich wollte, dass sie mich mitnahmen, damit ich einfach mal aus diesen sch….4 Wänden rauskam. Doch das wollten sie nicht. Ich dachte, es läge an meinem Veilchen, dass immer noch mein ganzen Gesicht zierte und die Langsamkeit, die ich beim Gehen noch an den Tag legte. Mein Vater wollte mir jedoch das Neonlicht und die Sonne nicht zumuten. Doch da ich mit meinem Selbstwert gerade auf Talfahrt war, konnte ich auch mit niemanden darüber reden, wie nutzlos und wertlos ich mich gerade fühlte.
Als ich das erste Mal nach 5 Wochen meinen Partner bat, die Wohnung zu saugen, verschob er es drei Tage hintereinander. Am vierten Tag habe ich es wutentbrannt selbst versucht. Schon nach einem Drittel der Fläche habe ich gezittert vor Anstrengung, nach der Hälfte heulend vor Elend und Erschöpfung in der Küche gesessen. Könnt ihr euch vorstellen, wie wertlos ich mich in diesem Moment gefühlt habe?
Als ich abends mit einer sehr lieben Freundin telefonierte, kamen wir auf diese Situation zu sprechen. Und sie hat mir so heftig, wenn auch liebevoll den Kopf gewaschen. „ Wie kommst du darauf, dass du jetzt weniger wichtig bist als vorher? Glaubst du nicht, deine Freunde und Familie würden dich vermissen, wenn du nicht mehr da wärst? Wer hat dir eigentlich so eine Scheisse eingeredet, dass du weniger wert bist, weil du gerade Hilfe gebrauchst? „
Das ist meinem Gedankenkonstrukt über Wert entsprungen.
Heute bin ich wertvoll, egal ob ich etwas leiste oder nicht. Es reicht doch schon, dass ich heute morgen aufgestanden bin. Ich habe mich um mich gekümmert, Frühstück für mich gemacht und geduscht. Das alles sind wertvolle Momente!
Und dieser Wert beginnt in dir. Den kann dir niemand kaputt machen, außer du selbst.
Ich lade dich zu einer Challenge ein : Wenn du jeden Abend 21 Tage lang 5 ( ja wirklich 5!) unterschiedliche Dinge aufschreibst, auf die du heute stolz bist und dir einen Wert geben, was glaubst du, was dann in drei Wochen geschieht??
Ich freue mich auf eure Kommentare.